Sunday, 22 November 2009

Die kalte Heimat. Weitere Unteroffiziersausbildung in Leslau: Okt. 1943 bis Mär 1944

Am 1. Oktober bekam ich die Papiere ausgehändigt einschließlich Urlaubsschein. Obwohl ich erst Genesungsurlaub hatte, bekam ich auch noch mal 14 Tage. Am 15. Oktober 1943 sollte ich mich an der H.U.S. Leslau an der Weichsel im Warthegau melden. Diese Gegend war ehemals polnisches Gebiet und wurde nach dem Feldzug gegen Polen 1939 vom deutschen Reich verwaltet. Leslau am sogenannten Weichselbogen, welche dort sehr breit war, hatte etwa 60,000 Einwohner und hieß früher auf Polnisch Włocławek. Etwas skeptisch war ich am Anfang dort schon. Die Kultur und Zivilisation in den Städten konnte man nicht mit deren in Westeuropa vergleichen. Für mich war es eben die "kalte Heimat", aber man lebt sich mit der Zeit überall ein.

Mein neuer Kompanie-Chef war Oberleutnant Kudoba. Zugführer war der Feldwebel Kappes, ein Schwaab, den man mit seinen schwäbische schlecht verstehen konnte, und Gruppenführer war Unteroffizier Schneider, ein prima Vorgesetzter. Er war so ruhig und so sachlich, daß wir uns mit Ihm glänzend verstanden. Im ersten Vierteljahr waren wir in einer ganz alten russischen Kaserne aus dem vorhergehendem Jahrhundert untergebracht. Da war doch so einiges zu bemängeln, das die Unterkünfte anbelangte. Vor allem, was uns am meisten störte, das Objekt lag weit draußen vor der Stadt und war mit keinem anderem Verkehrsmittel zu erreichen, als wie zu Fuß. Da ist es auch mal passiert, daß man durch Verspätung am Kasernentor Schwierigkeiten bekam. Denn wer bis zum Zapfenstreich um 22 Uhr nicht da war, hatte automatisch über den Zapfen gehauen und das wurde mehr oder weniger mit einem Verweis, oder Bau bestraft.

In Leslau in der Stadt konnte man sich ein Droschke nehmen. Anstatt Taxis waren dort eben noch die Droschken in Mode. Am Abend beim Ausgang benutzten wir auf dem Rückweg zur Garnison auch oft so ein Gefährt. Die Ausbildung in Leslau war ähnlich wie in Ettlingen. Bin auch hier bei einer schweren Maschinen-Gewehrkompanie mit dem Unterschied, daß wir außer dem L.I.G. (7,5cm Kaliber) noch an einem S.I.G. (schweres Kaliber von 15 cm) ausgebildet wurden.

Über Weihnachten wurde ich plötzlich krank und hatte Fieberanfälle, mein Aufenthalt war aber nur im Krankenrevier. Ich hatte Gelenkrheuma, ein heimtückische Krankheit, im linken Knie. Nach vier Wochen hatte ich alles überstanden und hatte auch keine Beschwerden mehr.

Im Februar/März werden wir mit der Bahn zum Truppenübungsplatz Thorn an der Weichsel verlegt. Thorn war eine alte preußische Festung. Dort sollten wir nun unter Beweis stellen, was wir alles gelernt haben in der bisherigen Ausbildung. Es wurde auch zum Teil scharf geschossen, im tiefen Sand mußten die Geschütze im Mannschaftszug vorwärtsbewegt werden. Mit den schweren Maschinengewehren wurde Überschießen der eigenen Truppe geübt, sowie ebenfalls das Lückenschießen zwischen zwei Truppenteilen, das indirekte Richten mit dem S.M.G. über die Zieleinrichtung laut Berechnung, aus einer Hinterhangstellung die eigene Truppe überschießen, sowie das feindliche Ziel zu erreichen.

Der Lehrgang geht zu Ende, mit Erfolg abgeschlossen und zum Unteroffiziersanwärter ernannt sage ich Leslau ade.